Wie viel Wert hat eine Handlung, deren Resultat absolut und uneingeschränkt Gut ist, aber mit dem Hintergedanken der Selbstbereicherung getätigt wird?
Ich habe vor einiger Zeit eine Freundschaft mit einem Flüchtling begonnen. Seit da treffe ich mich etwa alle zwei Wochen mit ihm. Wir tauschen uns aus, erzählen uns Witze, gehen einen Kaffe trinken. Eine ganz normale Freundschaft eigentlich. Er lernt unsere Kultur etwas besser kennen und übt Deutsch. So wird er sich hoffentlich besser integrieren können.
Das wäre eigentlich auch nur gut. Ich hätte diese Freundschaft aber wahrscheinlich nicht begonnen, wenn ich durch das keinen besseren Status unter meinen Freunden bekommen hätte. Ich habe ihm also nicht nur geholfen, weil ich ihm helfen wollte, sondern weil es mir auch um die Selbstdarstellung ging.
Der Kategorische Imperativ von Immanuel Kant sagt:
Handle nur nach Grundsätzen,
von denen du wollen kannst,
das sie weltweit ein allgemeines Gesetzt werden.
Diese Grundsätze müssen immer kategorisch, also uneingeschränkt gültig sein.
Ich denke man kann sagen, das es uneingeschränkt richtig ist, anderen Menschen zu helfen. Ich habe aber nicht uneingeschränkt, kategorisch gehandelt, da ich es auch gemacht habe, um mich selbst besser darzustellen. Ich habe den Flüchtling auch nicht als Mittel zum Zweck gesehen. Primär ging es mir um die gute Tat. Dennoch war der Hintergedanke da.
Wie gut ist meine Handlung also? Wie ist meine Handlung Ethisch und auch Allgemein zu bewerten?
5. Dezember 2016 at 17:59
Es gibt einige grundlegend philosophische Gedanken bei Deinem Text zu beachten.
In den ersten Zeilen wird das Wort „Freundschaft“ gebraucht…noch dazu „normale Freundschaft“. Die Frage, die sofort kommt: 2 Wochen und schon Freundschaft? Welche Art „Freundschaft“,?
à la Facebook? Oder was?
Wie ist Freundschaft zu definieren? Das ist wichtiger Punkt!
Und was bedeutet „integrieren“? Wie soll der zurecht gebogene oder der sich selbst zurecht biegende „Fremde“ aussehen, wenn er integriert ist?
So viele haben dieses Wort im Munde, aber kaum jemand macht sich Gedanken darüber. Zum Beispiel, geht dieses „Integrieren“ immer nur in eine Richtung? Ist das überhaupt möglich? Schauen wir in die Geschichte – auch in die jüngere unseres Zentraleuropas! Auch die Dasitzenden sind von den „fremden“ Kulturen beeinflusst – ob sie wollen oder nicht.
Und nun zum Wort „gut sein“.
Wenn man sich mit einem Flüchtling unterhält, ab und zu auf einen Kaffee trifft; ist das dann „gut“?? Oder ist es schlicht und ergreifend einfach „normal“. ( Wobei die „Normalität“ als solche philosophisch zu definieren wäre.)
Trotzalledem berührst Du in Deiner Erzählung einen wunden Punkt, den es wohl sehr häufig gibt. Nicht nur private, sondern auch staatliche oder religiös fundierte Hilfen, spekulieren in der Tat mit einer Erwartung auf Lob, Prestige, Würdigung, Anerkennung usw. (Beispiel: Mutter Theresa, einige Entwicklungsorganisationen)
Solche Hilfen könnten durchaus rasch ins fanatische Gegenteil umschwenken. Ein scheinbares Plus kann durch Multiplikation mit -1 ins Negative verdreht werden.
Diese hinter gedankliche Grundhaltung ist schäbig, wenn auch sehr häufig und bei Dir deshalb lobenswert, weil selbst erkennend in Deinem Text!
Wie kommst Du aus diesem Dilemma heraus:
Grundsatz: – Alle Menschen sind kategorisch als gleich anzusehen.
– Leider aber schleppen auch alle Menschen ihre mehr oder weniger sie tief prägende Kultur mit sich herum. Nur die philosophisch Denkenden können ausbrechen.
– Alle Kinder der Welt wissen im Grunde (ohne den oft verheerenden Einfluss der jeweiligen Erziehung), welche Handlung mit anderen Menschen richtig oder falsch sind.
Was sei ethisch an Deiner Haltung?
Besser sich treffen und vorbehaltlos austauschen, als das nicht tun.
Beide Seiten werden auf jeden Fall eine „Horizont“- Erweiterung erfahren.
Jedenfalls ist dieser Austausch nicht als „gut-menschlich“ zu bezeichnen, sondern einfach „normal“.
Und vielleicht werdet ihr….dereinst…in ein paar Jahren tatsächlich: Freunde?
Dann sind Zeit und Herkunft, Status und Prestige völlig egal geworden.
10. Januar 2017 at 21:03
Hallo Agathon
Ein durchaus berechtigter Einwand. Was ist Freundschaft? Meine Beziehung war es, jetzt im Nachhinein betrachtet leider nicht. Wir haben uns jetzt schon eine ganze Weile nicht mehr getroffen.
Mein Normal bezog sich aber auf unseren Austausch und das Kaffe trinken miteinander. Etwas was ich im Alltag auch mit anderen Freunden mache.
Freundschaft ist für mich das Verhältnis zwischen zwei Menschen, beruhend auf gegenseitigem Verständnis, Akzeptanz und Hingabe. Freunde sind für einander da. Und ganz wichtig: keiner sollte den eigenen Profit sehen (was ich in unserer von „Sozialen“ Medien beeinflussten Welt, durchaus erwähnt haben möchte).
Du beschreibst in deinem Kommentar das Helfen, verbunden mit der Selbstdarstellung oft ins fanatische Gegenteil umschwanken. Was meinst du damit?
Schlussendlich hast du in allen deiner Punkte recht. Ethisch Inkorrekt ist meine Handlung nur, wenn ich sie zur Selbstdarstellung getätigt hätte. Da es mir aber nicht primär darum ging, war es einfach eine normal zu bewertende Handlung. Es ist zusagen, das der Kulturaustausch durchaus Interessant war.
Ich sollte noch einmal einen Kaffe trinken gehen 🙂